Bist du bereit, wenn die Muse dich küsst? – Are you ready when the muse kisses you?

Du kennst gewiss die Geschichten um die Kunst des Minnesangs, in der eine, meist höhergestellte Dame, als Muse für den Minnesänger galt.
Ihr ergeben, sie vielfach anbetend, war sie seine Inspiration für seine Schöpfungen, Gedichte und Werke.

Im Lauf der Jahrhunderte vermochte die Muse Künstlern eine Stimme zu geben. Manchmal waren sie ein Paar, häufig spielte Verliebtsein eine Rolle. Oft genug war diese Muse nichts anderes als ein Mensch, der dem Kunstschaffenden Inspiration verschaffte.

Lebte die Muse nicht einst auf dem Berg Helicon und atmete Dichtern, Musikern und anderen Künstlern ihre Werke ein, um von ihnen mit liebreizenden Worten geehrt zu werden?

Inspiration durch eine Muse kann großartige Werke erschaffen. Wenn du schreibst, spürst du manchmal Etwas in dir, das auf Papier oder auf den Bildschirm will. Du hast keine Ruhe, bis die Worte nicht geflossen sind. Du denkst nach, wie du es gut formulierst, obwohl die gewählten Worte perfekt sind.
Wenn du den Text später liest, erkennst du, er ist anders als die üblichen. Besser geschrieben, als wäre er nicht von dir, sondern jemand oder etwas hätte deine Hand geführt und deine Gedanken gelenkt.

Das ist es, was die Muse bewirkt, Texte zu schreiben, die aus dem Innersten stammen, Worte zu finden, die im Bauch entstehen.

Du spürst es, wenn du deine Muse findest, auch, wenn sie aus einem anderen Flecken deines Lebens stammt, als du denkst. Jeder, der deinen Lebensweg kreuzt, hat das Potential, deine Muse zu werden, jede »Lebensbegegnung« hat das Zeug dazu in sich. Übrigens muss die Muse nicht zwangsläufig weiblich sein.

Ich denke, jeder, der sich darauf einlässt, zumindest einen Teil seines Lebens dem Schreiben und Erzählen zu widmen, wird früher oder später erkennen, wer das ist.
Ob es funktioniert, sich die Muse auszuwählen? Bei einigen sicher, bei anderen nicht.

Meine Muse kenne ich seit vielen Jahren, es ist eine Person, die mir wichtig ist und deren Stimme etwas in mir zum Vibrieren bringt, wenn ich sie höre. Ob sie dies weiß? Ich habe es dieser Person bisher nicht gesagt.
Eine Muse muss nicht immer wissen, dass sie eine ist, obwohl ich glaube, dass die meisten Menschen sich geschmeichelt fühlen, wenn ihnen gesagt wird: „Du bist es, du bist meine Muse, die mich inspiriert!“

Kennst du deine Muse oder wartest du noch auf sie?

*****

You certainly know the stories about the art of minnesinger, in which a lady, usually of higher rank, was considered the muse for the minnesinger.
Devoted to her, worshipping her many times, she was his inspiration for his creations, poems, and works.

Over the centuries, the Muse has been able to give artists a voice. Sometimes they were a couple, often falling in love played a role. Often enough, this muse was nothing more than a person who inspired the artist.

Didn’t the Muse once live on Mount Helicon and breathe her works into poets, musicians, and other artists to be honored by them with lovely words?

Inspiration by a muse can create great works. When you write, you sometimes feel something inside you that wants to be on paper or the screen. You have no peace until the words have flowed. You think about how to phrase it well, even though the words you choose are perfect.
When you read the text later, you realize that it is different from the usual ones. Better written as if it was not from you, but someone or something had guided your hand and directed your thoughts.

This is what the Muse does, to write texts that come from the innermost being, to find words that come from the belly.

You feel it when you find your Muse, even if she comes from a different place in your life than you think. Everyone who crosses your path in life has the potential to become your muse. Every „life encounter“ has what it takes to grow your muse. By the way, the muse does not necessarily have to be female.

I think anyone who agrees to dedicate at least part of their life to writing and storytelling will sooner or later realize who that is.
Does it work to choose the muse? Indeed with some, but not with others.

I have known my Muse for many years. It is a person who is important to me and whose voice makes something in me vibrate when I hear it. Does she know this? I have not told this person until now.
A Muse doesn’t always have to know that she is one, although I think most people are flattered when they are told: „It’s you, you are my Muse who inspires me!“.

Do you know your Muse, or are you still waiting for her?

19 Gedanken zu “Bist du bereit, wenn die Muse dich küsst? – Are you ready when the muse kisses you?

  1. Ich habe gleich mehrere Musen und deshalb steh ich immer mit gespitzter Schnute da, um auch ja keinen der Küsse zu verpassen. Eine der Musen wuselt gerade hier um mich herum, sie heißt Lukas und ist 10 Jahre alt und natürlich ist es ein ER, mein ältester Enkel!
    Herzliche Grüße
    Regina

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    1. Rhiannon

      Weiß er das auch? 🙂
      Ich stell mir das spannend vor, wenn die Muse älter wird und neue, inspirierende Aspekte des Lebens seinen Weg kreuzen.

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    1. Rhiannon

      Das Schöne am Schreiben ist, wir entwickeln uns dabei und lernen vieles besser zu machen. Im Lauf dessen lernen wir auch Persönlichkeiten kennen. Wer sagt, dass deine Muse nicht erst deinen Weg kreuzt?

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      1. Ich schreibe schon seit Jahrzehnten. Und ich bin vielen Menschen begegnet, die lesen, schreiben und Literatur verstehen oder es von sich behaupten. Keiner hat es anscheinend so ernst genommen wie ich. Wenn meine Mitmenschen über Bücher reden, fühle ich mich meist wie ein Fremdkörper. Leider besteht meine Inspiration aus meinen eigenen Sinneserfahrungen und eine Menge toter Schriftsteller. Ich wünschte mir nichts mehr als die Begegnung mit meiner Muse!!

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      2. Rhiannon

        Es sind wahrlich einige höchst interessante Schriftsteller, die deiner Inspirationsquelle dienen und nicht unbedingt die Leichtesten.
        Vergleiche ich die Art zu schreiben des 19. Jahrhunderts mit der von heute bleibt häufig Erstaunen über die Entwicklung in der Schriftstellerei.

        Nimm deinen letzten Satz. Er könnte der Kern eines Romans sein. Vielleicht eine Tragödie, doch stets im Stil des 19. Jahrhunderts geschrieben und sie wartet die ganze Zeit nur darauf, dass er ihr etwas widmet.

        Was meinst, könnte das deiner Muse gefallen und sie zu dir locken?

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      3. Naja ich bin doch eher insgesamt inspiriert vom 20. Jahrhundert. Aber du wirst schmunzeln: In meinem aktuellen Projekt spielt ein Autor aus dem 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle und ein kleiner Teil der Geschichte spielt in seiner Gegenwart. Ich habe richtig Angst davor, einen Text zu schreiben, der in seinem viktorianischen Sprachduktus gefasst ist. Da hilft keine Muse, sondern ein Lektor oder jemand, der sich mit der englischen Sprache der Viktorianischen bzw. post-Viktorianischen Zeit auskennt. Ansonsten gebe ich dir recht: wer nicht Produziert, wird seiner Muse nicht begegnen.

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    1. Rhiannon

      Wie wunderbar und inspirierend.
      Hast du den Eindruck, was dir einfällt und hinterher entflogen ist, war wichtig? Oder ist es eher die Essenz dessen, das dir später bleibt, die für dich zählt?

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  2. Werte Rhiannon,

    danke für deine passende und tiefe in die „vorhandenen“ Buchstaben gegossene „Ausführung“.
    Der Aspekt der Muse ist gewiß nicht zu verachten.Die männlichen Musen habe ich in „Museriche“ getauft…

    Ich fühle es ähnlich, was so zwischen Muse und „Schreiberling“ passiert – aus der Intimität der eigenen Sprachen der beiden, brechen Impulse auf, die unbedingt ans Licht oder auf´s Papier möchten. Die Intensität und die Magie dieser beiden findet sich dann zwischen den Buchstaben in einem eigenen Rhythmus, Klang. in einer besonderen wie gelassenen Klarheit, eine Offenbarung des Seins und des Wir – hinein in die Vollkommenheit des Momentes und der Energien…
    Mitunter oder allzu oft ist eine Essenz geboren, welche über Jahre nicht an Wirkkraft verliert.

    Danke und alles Liebe,
    Raffa.

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    1. Rhiannon

      Werte Raffa,

      mir kommt es vor, als wäre die Verbindung mit einer Muse ähnlich der einer geliebten Person (Mutter/Kind, Freundin/Geliebter, …).
      Etwas, das nicht einfach vergeht, wenn diese Person aus dem eigenen Leben entschwindet – eine Art Symbiose beinahe.

      LG
      Rhiannon

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      1. Ja, diese Symbiose ist so umfassend, wie du schon angedeutet und geschrieben hast – sie umfaßt alle möglichen „Rollen“, Qualitäten, Facetten in diesem Sein – und benutzt auch „Sprachen“, die wir bis hierhin nicht kannten.

        Mitunter ist das verwirrend bis beängstigend…
        und auch bei deinem anderen Aspekt bin ich voll bei deiner Wahrnehmung: Diese Liebe (Symbiose) kennt weder Raum noch Zeit – sie ist… einfach und doch etwas kompliziert; jedoch ist dies auch die spannende, creative, erkenntnisreiche Erweiterung des Seins.

        Besten Dank für deine Worte,
        Raffa.

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  3. Aurora

    Hallo Rhiannon,
    Ich finde diesen Artikel sehr interessant von dir. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, ob ich eine Muse habe, ich glaube am ehesten ist es die zerbrochene Seele in mir, die mich zum Schreiben und zur Kunst animiert, haha.
    Liebe Grüße, Aurora

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    1. Rhiannon

      Hy Aurora,

      betrachte ich die ganzen Kommentare hier, so ist der Gedanke nicht abwegig.
      Meine Muse ist ein atmender, denkender und mir sehr lieber Mensch – ABER warum sollte es ein Teil der eigenen Seele nicht sein?
      Wir alle tragen doch unterschiedlichste Aspekte des Ich in uns. Also warum dann nicht?

      Liebe Grüße
      Rhiannon

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