Gastbeitrag: Zwischen Musenzwist und Musenkuss

Heute übergebe ich den Platz für einen Gastbeitrag einer lieben Bloggerfreundin. Sie neigt dazu, beim Schreiben mit „Augenzwinkern“ zu formulieren und die Worte zu setzen.

Ihren Blog findest du hier: https://heathermkaufman.com/
Besuch sie doch mal 🙂

und nun, viel Freude beim Lesen ihres Beitrags – liebe Heather, damit bist du gemeint 😉

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Zwischen Musenzwist und Musenkuss

Irgendwann gibt es für alles ein erstes Mal. Das gilt auch für Schreiberlinge und beginnt zaghaft mit dem Dasein eines ‚Leserlings‘. Das erste vorgelesene Buch, das erste selbstgelesene Buch, die ersten selbstgeschriebenen Buchstaben – von mir noch mit dem Griffel auf eine Schiefertafel gekratzt -, die ersten kindlichen Schreibversuche mit tintenblauen Fingern, und etliche eindrucksreiche Jahre später, erste tagebuchähnliche Memobücher, erste kleine Geschichten, das erste Selfpub-Kinderbuch, ein erster Blog … Die Kette bleibt genauso offen, wie die dazugehörige Lebenslinie.

Die Auslassungspünktchen könnten für weitere Bücher (vielleicht ein erstes Verlagsbuch) stehen. Gerade jetzt stehen sie für ein anderes erstes Mal, denn die liebe Rhiannon, Content Creator dieses inspirierenden Blogs, fragte mich, ob ich Lust hätte, einen Gastbeitrag zu schreiben. Wer einen Blick auf unsere höchst unterschiedlichen Reichweiten wirft, wird meine Unsicherheit nachfühlen können, aber welcher Schreiberling kann schon der Versuchung nach ihrer/seiner Lieblingsbeschäftigung widerstehen? Thematisch soll es um das Schreiben gehen. Oder um Kreativität. Am besten um beides.

Nur die Kreativität verwandelt die Auslassungspünktchen in Fakten. Je nach Neigung, Begabung oder Talent entsteht durch sie etwas Neues, Unbekanntes, wenn auch vielleicht nur im Auge des Schöpfers selbst. Und während ich noch meine Hände schwebend über der Tastatur hielt, um diesen Beitrag zu schreiben, wurde ich Gedankenzeugin eines seltsamen Dialogs:

K: »Na, sieh mal einer an, so trifft man sich endlich wieder!«
F: »Hallo? Warum gleich so zickig?«
K: »Hast dich ja hübsch rar gemacht in den vergangenen Wochen!«
F: »Wieso? Hast du mich etwa vermisst?«
K: »Vermisst ist untertrieben! Du weißt selber, wie sehr ich dich brauche! Ich habe regelrecht am Rad gedreht, als du sang- und klanglos abgetaucht warst.«
F: »Du meine Güte! Da gönne ich mir einmal ´ne kurze Auszeit, die bitter nötig war, weil du mich regelrecht ausgesaugt hast. Warum belämmerst du nicht zur Abwechslung die anderen mit deinem Problem?«
K: »Ach, hör doch auf! Ich habe Fleiß um Hilfe gebeten, die alten Ideen angerufen, bin sogar zum Gedächtnis nach Hause gefahren, alle hatten nur faule Ausreden, warum sie mir gerade jetzt nicht helfen können. Die Inspiration ist seit Wochen verreist und sitzt wahrscheinlich irgendwo coronabedingt und unerreichbar fest. In meiner Verzweiflung habe ich dann das Gelaber der Logik über mich ergehen lassen.«
F: »Und?«
K: »Nichts ‚und‘. Nicht innovativ genug, nicht originell, todlangweilig.«
F: »Mensch, jetzt lass dich nicht so hängen. Du bist undankbar, denn wir alle reißen uns nonstop für dich die Gene auf. Also hör auf zu jammern! Was hast du bis jetzt?
K: »Okay, ich kenne das Problem und die Ausgangssituation. Danach habe ich, wie immer, das Ziel definiert. Gleich im Anschluss, dem Gesülze der Logik und ein paar hilfreichen Tipps vom Gedächtnis sei Dank, habe ich alle Fakten zusammengetragen, aber danach habe ich mich hoffnungslos verfranzt. Seitdem fühle ich mich total uninspiriert. Ohne dich komme ich nicht weiter.«
F: »So, so. Nun geht´s also um die Wurst oder um´s Eingemachte – apropos, irgendwie habe ich jetzt Hunger. Geht´s dir auch so? Könntest du uns fix ein paar Häppchen machen?«
K: »O, bitte fang nicht wieder an zu prokrastinieren! Ich werde noch wahnsinnig!«
F: »Ha, ha, Genie und Wahnsinn – ein anderes dysfunktionales Duo in unserem Schaffenskreis. Komm, sei nicht sauer – ich verstehe doch deine Sorgen. Du brauchst jetzt meine Imagination, meine Fähigkeit Gedanken zu malen, damit du sie mit deinem Gedächnisinhalt neu verknüpfen kannst. Ich liebe deine Phase des Brainstormings über alle Maßen, in der alles möglich ist, alle Grenzen aufgehoben sind und ich richtig aus dem Vollen schöpfen kann!«
K: »Hör auf zu schwärmen und leg´ endlich los, damit ich deine Ideen mitschreiben kann.«
F: »Langsam, gute Freundin, nicht so hektisch! Was habe ich eigentlich davon?«
K: »Wie meinst du das, und seit wann ist dir das denn wichtig? Nach unserer gemeinsamen kreativen Phase, filze ich alles genau durch, kläre, trenne Nützliches und Brauchbares von Blödsinn, schaffe neue Verbindungen, erfinde, entdecke und setze all das zum Endergebnis um, dem großen Paukenschlag. Das Ergebnis sollte sich dann sehen lassen können! Wenn du möchtest, kann ich dich kurz erwähnen. Oder was hast du dir sonst vorgestellt?«
F: »So, wie ich es fragte. W-A-S H-A-B-E I-C-H D-A-V-O-N? Oder glaubst du kleine ‚Schlüsselkompetenz‘, ich schenke dir immer weiter meine Ideen, damit du den Lohn ernten kannst?«
K: »Meine liebe Fantasie! Eines will ich mal klarstellen. Du bist ein Teil von mir, zwar mit gewissen Freiheiten, aber mehr auch nicht. Denn ohne mich, könntest du dich überhaupt nicht mitteilen. Kaum jemand erführe, dass du überhaupt existierst, würde ich nicht mit meiner Gabe, dich mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen, den sichtbaren Beweis liefern. Wie oft hast du mir schon Flöhe ins Ohr gesetzt, die nicht umsetzbar waren und alle schrien auf, ich sei nicht mehr kreativ. Dein Gewinn sind meine Ergebnisse, die von dir zeugen und wiederum die Basis für neuen Ideen sein können. Ohne mich bist du unsichtbar!«
F: »Nun, wenn das so ist, liebste Kreativität, kann ich meine Auszeit ja getrost noch ein wenig ausdehnen und mache mich mal ohne dein Zutun unsichtbar. Meines Wissens bist auch du nur ein Teil von etwas Größerem und womöglich verzichtbar, wenn du deinen Job nicht mehr beherrschst. Vielleicht gelingt dir dein Projekt sogar ohne meine Hilfe, aber ich versichere dir, das wird verdammt schwer! Weißt du was? Du kannst mich mal küssen wo ich schmutzig bin!«

Dieser Zwist führte mir erneut die unterschiedlichen Eigenschaften von Fantasie und Kreativität vor Augen. Zwei von vielen Begriffen, die fälschlicherweise, auch von mir, häufig synonym verwendet werden. Fantasie erschafft die Ideen, die die Kreativität umsetzt. Es gibt Ideen, die sich nicht verwirklichen lassen – dann bin ich nicht kreativ. Fantasie hat jeder und man kann sie erweitern, aber leider auch verkümmern lassen. Fantasie ist die Frage, Kreativität die Antwort. Fantasie hat kaum Grenzen, Kreativität hingegen schon. Zur Kreativität gehören aber neben Fantasie noch Begeisterung, Eifer, Fleiß, Disziplin, handwerkliche Fertigkeiten, Talent und die Gabe, das Vorgestellte mit der Realität in Einklang zu bringen, um etwas zu Erschaffen, zu ‚Schöpfen‘.

Die Fantasie eines kleinen Kindes fragt, ob Popel wohl zum Mond fliegen können, die Kreativität lässt es aus Toilettenpapierrollen, Watte, Papier, Zwirn, Klebstoff und allerlei Krimskrams experimentieren, bis eine nützliche Trägerrakete entsteht. Diese schöpferische Kraft, den Erfindungsreichtum, die Fähigkeit, alte Denkweisen aufzuweichen, um neue Verbindungen zu schaffen, gilt es früh zu fördern. In jedem Alter (im Erwachsenenalter aber bitte ohne Popel). Die erwachsene menschliche Fantasie greift nach den Sternen und ermöglichte der Kreativität den Spaziergang auf dem Mond und eines fernen Tages die Schaffung eines Vergnügungsparks auf dem Mars. Sie ist zudem die Voraussetzung für Empathie, ohne die wir kaum befähigt wären, beispielsweise einen einfühlsamen Roman zu schreiben.

Wenn wir Schreiberlinge uns mal wieder in einer Schaffenskrise befinden oder uns an einer Blockade die Zähne ausbeißen, weil sich die Fantasie eine Pause gönnt, hilft es manchmal, wenn wir das restliche ‚Team‘ zusammentrommeln und andere Projekte beispielsweise nur mit Handwerk und Fleiß produzieren, denn das ärgert die Fantasie ziemlich, und sie lässt sich mit Eifersucht gut provozieren. Oder wir stärken uns in der Zwischenzeit mit neuem Wissen, Spionage bei der Konkurrenz oder dem Üben vorhandener Fähigkeiten.

Vielleicht spornt uns auch jemand zu kreativer Leistung an? (Meine ist übrigens nicht menschlich, aber dennoch natürlich.) Seit ihr schon einmal von einer Muse geküsst worden? Verratet, wer es war oder ist es und wie sich dieser Kuss auf eure Arbeit auswirkt.

8 Gedanken zu “Gastbeitrag: Zwischen Musenzwist und Musenkuss

  1. heathermkaufman

    Vielen Dank, liebe Rhiannon, für deine großzügige Einladung, die mir die Gelegenheit schenkte, in mich hinein zu hören. Wenn mir auch die Informationen nicht unbedingt gefallen, so verstehe ich jetzt, warum das eine oder andere Mitglied des Kreativitätsteams hin und wieder ein paar Tage blau macht.

    Wir ‚Werkstatt-Inhaber‘ sind für ein optimales Arbeitsklima verantwortlich, dann sollte das Ergebnis entsprechend erfreulich ausfallen!💡=📚

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  2. Danke für dieses tolle Thema. Ich habe deinen Text gelesen und kenne das mit der Muse. Manchmal weiß man nicht wann sie zuschlägt und wenn sie zu schlägt, weiß man nicht was dabei herauskommt. Ich habe gerade mein zweites Buch fertig gemacht und habe sehr viel in das Design gesteckt. Dieser Job macht wirklich Spaß.
    Mit freundlichen Grüßen
    Miss Katherine Whitehttp://www.miss-katherine-white.com
    Work-Life-Balance

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  3. heathermkaufman

    Ob mythologisch oder irdisch reale Wesen oder auch nur im metaphorischen Sinne: Musen sollten uns küssen, unsere Kreativität fördern und uns unterstützen, aber schlagen sollten sie uns lieber nicht! Zuckerbrot und Peitsche sind keine geeigneten Erziehungsmaßnahmen für Schaffende. 😉 (Manchmal kann man jedoch nur froh sein, wenn uns niemand im Wege steht oder behindert.)

    Offensichtlich wurdest Du jedoch herzhaft geküsst, wenn Dein zweites Herzensprojekt nun fertig vor Dir liegt, und Dir der Prozess soviel Freude gemacht hat. Schaffensfreude ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Kreativität – sie beflügelt geradezu!

    Halte dieses Gefühl gut fest und rufe es Dir beim nächsten Projekt ins Gedächtnis, wenn vielleicht eine Phase kommt, in der es mal nicht so rund läuft. Kein Rat der Welt ersetzt die eigene Erfahrung, habe ich erfahren. 😄 Viel Erfolg weiterhin und vielen Dank für den netten Kommentar!

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    1. Rhiannon

      ich glaube der Kuss meiner Muse hat dazu geführt, dass mir ein Tor geöffnet wurde, so viele Ideen wie in meinem Kopf herumschwirren … *lol*

      wobei auch die „Peitsche“ mitunter für manche Schaffende eine mega-Motivation war …. ich nehme jetzt mal nur E.A.Poe, der doch dem Alkohol sehr zugeneigt allzu früh sein Leben ließ…. und doch ein Lebenswerk hinterließ, das Seinesgleichen suchte 🙂

      danke für deine lieben Worte

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    1. Rhiannon

      traurig ja – ABER – erinnern wir uns nicht gerade an diejenigen, die mit noch recht jungen Jahren gehen und doch ein besonderes Werk hinterlassen haben?

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