Geduld und Schmetterling
flieg, kleines Geschöpf, flieg
„Ein Mann soll in seinem Leben einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und einen Sohn zeugen.“
Kennst du diesen alten Spruch? Angeblich soll er von Martin Luther stammen.
Es ist ein Vermächtnis, das dahinter steckt, etwas, damit der „Mensch“ nicht vergessen wird, sondern sein Erbe bestehen bleibt.
In früheren Tagen wollten Menschen mit Sicherheit auch oft nicht warten, sondern etwas „sofort“ haben. Einst wie heute ist der Wunsch vom sofort-erfüllten-Traum ohne etwas dafür tun zu müssen, in uns verankert. Es ist sehr schwer, Geduld zu erlernen, wenn wir dies nicht von Kindheit auf gelernt haben.
Kennst du Ray Kroc? Wenn du ihn nicht kennst, das macht gar nichts, was er vertrieb jedoch, das kennst du mit Sicherheit. Selbst, wenn du nie eines seiner Produkte verzehrt hast – doch ich wage zu behaupten „McDonalds“ kennst du mit Sicherheit. (Als kleiner Filmtipp dazu: „The Founder“! Der Film ist wirklich eine gute Biographie von Ray Kroc.
Was haben diese beiden Punkte gemeinsam? So unterschiedlich sie sein mögen, so benötigt es in beiden Fällen Zeit. Etwas aufzubauen, niemals vergessen zu werden oder für spätere Generationen noch „da“ zu sein, alles benötigt Zeit.
Recht interessant ist hierzu das Betrachten der verschiedensten Jenseits-Vorstellungen, wobei sich die meisten gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. In so gut wie allen Fällen dreht es sich darum, ein möglichst gutes Leben zu führen und die Welt besser zu hinterlassen, als man/frau sie vorgefunden hat. Entweder wartet dann ein Paradies (welcher Art auch immer) oder es geht um einen besseren Start in das nächste Leben.
In allen Fällen kann die lebende Seele eigentlich nur eines tun, möglichst viele gute Dinge tun und sich damit für später etwas aufbauen. Auch hier hast du wieder die Sache mit der Geduld.
Wenn wir schreiben, dann fehlt oft das Fundament.
Wir sehen irgendwo schon in weiter Ferne die Bücher, die in Massen über die Ladentheke gehen oder wir verschenken sie, weil wir jemandem eine Freude machen wollen oder nutzen sie vielleicht auch für Kurse, die wir geben und halten wollen. Schreiberlinge sehen sehr häufig das fertige Ergebnis, aber der Weg bis dahin, davor herrscht mitunter große Scheu.
Wie wir aus Geschichten wie um Ray Kroc erfahren können, dauert alles seine Zeit, es geht selten von heute auf Morgen und wenn, dann fällt häufig das erbaute Kartenhaus auseinander, weil das Fundament nicht stabil genug ist.
Ein Freund sagte mir einst:
Es ist alles subjektiv. Für den einen vergeht die Zeit, wie wir sie kennen, sieh stattdessen zu großen Bergen hin und höre ihnen zu. Sie wandern in ihrem eigenen Tempo, das der Mensch gar nicht mitbekommt, aber sie wandern, einer schneller als der andere, und in seinen Augen war dabei ein Zwinkern, wie ich es so gerne mag.
So ist es auch, wenn wir Schreiberlinge vor einem Buch sitzen. Natürlich ist es unterschiedlich, wie wir die Dinge angehen. Wo der eine bereits die fertige Geschichte im Kopf hat und nur mehr runtertippt, so baut der andere Stein für Stein auf, bis seine Geschichte fertig ist. Doch in allen Fällen braucht es Zeit, die Worte zu formulieren, zu finden und auch niederzuschreiben oder zu tippen. Nehmen wir uns die Zeit, um von Anfang an aufzubauen, so ist es auch eine Art Wachstum für uns selber.
Sieh dir eine Blumenwiese an und überlege dir, wie lange es gedauert hat, bis diese Vielfalt an Blüten sich eingefunden hat. Wann kamen welche Pflanzen in deinem Umfeld an? Weißt du noch, wann das erste Mal Kartoffel in Europa wirklich gegessen wurden und warum sie anfangs aus Amerika mitgenommen wurden? (Der Grund waren übrigens ihre Blumen und anfangs war die Kartoffel einfach nur eine hübsche Zierpflanze) 🙂
Bis wir unsere heutige Vielfalt erreicht haben, dauerte es auch Jahrhunderte und ging nicht über Nacht mit einem Fingerschnippen.
Betrachte doch einmal die Autoren, die wir heute als „Superseller“ in den Regalen stehen haben. Sie alle fingen einmal irgendwo klein an. Selbst Goethe zahlte die ersten Exemplare seiner Werke aus eigener Tasche, um überhaupt veröffentlicht zu werden. Stephen King und viele andere schrieben am Beginn ihrer Karriere kurze Texte für Zeitschriften und erst mit der Zeit wurden sie so erfolgreich, wie sie heute sind. Gewiss finden wir den ein oder anderen Autor, wo einfach nur absoluter Glücksfall eintrat, doch diese sind wirklich sehr rar gesät, bei den meisten steckt viel Energie, Arbeit und auch Geduld dahinter – und sie lernten mit jedem Werk dazu.
Geduld zu haben ist eine Notwendigkeit, aber nur schwer zu erlernen, wenn wir sie nicht von Kindertagen an mitbekommen haben. Es ist schwer, sich selber einzugestehen, dass einem die Dinge viel zu langsam gehen. Ja, auch ich hätte nichts dagegen, wenn meine Werke mehr Lesern helfen könnten, aber das ist sicher auch nur eine Frage der Zeit, denn ich will unterhalten und unterstützen, du weißt für dich selbst, was du mit deinen Werken erreichen willst 🙂
Schreiben ist ein Handwerk und das lässt sich erlernen!
Stell dir vor, du lernst eine ganz neue Sprache. Wo fängst du an? Viele beginnen mit den Schimpfwörtern, weil sie am einfachsten zu erlernen sind (sagen manche).
Wenn wir zu schreiben beginnen, lernen wir doch im Üblichen erst einmal das Alphabet, dann kommen einfache Wörter und Sätze, und erst mit der Zeit kommt es zu längeren Texten und zu ganzen Werken. Aber damit ist es nicht getan. Als Schreiberling brauchst du mehr als „nur“ das Basiswerkzeug – Phantasie beispielsweise ist eine gute Sache.
Und dann hast du die geborenen Erzähler. Diese haben vielleicht nie schreiben und lesen gelernt, aber erzählen in einer Weise, dass du an ihren Lippen hängen bleibst. Sie erzählen „freier“, weil sie die Buchstaben nicht fesseln.
Wenn du beides kannst, dann hast du eine großartige Basis für deine Werke.
Sehe ich mir die Bücher an, die ich bisher geschrieben und veröffentlicht habe, so habe ich bei jedem Buch dazu gelernt. Rechtschreib- und Grammatikfehler konnten inzwischen auf ein Minimum runterreduziert werden (ich gebe mein Bestes) … eine faszinierende Eigenheit konnte ich auch feststellen:
Gib mir einen Text zu lesen und ich finde auf den ersten Blick Rechtschreibfehler, wo andere drüber lesen. Mein Mann kann das schon gar nicht mehr hören, wenn ich ihm das erzähle … unter anderem in einem großen Möbelhaus, wo an der Wand gepinselt die Aufforderung an die Kunden stehen sollte, sich Notizen zu machen ….
Und was steht dort?
„machen Sie sich Notzitzen“ (guck genau hin, erkennst du den Schreibfehler?)
Jeden Tag gehen dort Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen vorbei – und wie viele erkennen es wirklich?
Aus den Anfängen entwickeln sich mit etwas Geduld weit mehr Aspekte, als wir glauben.
So wie Bäume nicht unbedingt geradlinig wachsen, sondern Triebe ausbilden, so entwickeln wir auch beim Schreiben verschiedene Fertigkeiten, die vielleicht gar nicht beabsichtigt waren und die wir schlussendlich doch haben. Ob dies nun Genauigkeit beim Lesen ist, oder die Fähigkeit mit anderen besser sprechen zu können, Farben super aufeinander abstimmen können oder in der Liebe ein absoluter Champion sind – das WAS spielt keine Rolle. Wir unterschätzen jedoch manchmal, WARUM Geduld wichtig ist.
Stell Menschen eine einzige Frage:
„Würdest du etwas annehmen, das sich dir sofort und ohne Anstrengung eröffnet und hingibt?“
Oh, es ist verführerisch, keine Frage und jeder wird überlegen, ein solches Angebot anzunehmen. Aber wäre es im Sinne der Entwicklung wirklich sinnvoll? Mir fällt jetzt erst beim Schreiben dieses Beitrags auf, wie weitschichtig Geduld Gaben mit sich bringt, die wir so gerne hätten, aber unterschätzen, sie zu bekommen.
Es ist jetzt auch kein Plädoyer, denn du entscheidest ganz alleine, ob du dich damit befassen willst oder nicht. Bedenke jedoch, Geduld ist nach wie vor eine Tugend und als solche nicht unwichtig.
Wenn du ein Haus erbaust oder einen Baum pflanzt – erwartest du doch auch nicht, dass morgen schon alles fertig ist (oder hast du einen Dschinn, der dir mit Fingerschnippen alles hinstellt?) Du weißt, dass manches Zeit benötigt. Wenn der Blick jedoch in andere Richtung fällt, so ist Ungeduld mitunter schon ein echtes Problem.
Es ist sehr schwer damit klarzukommen, zu warten und zu warten und vielleicht nie ans Ziel zu kommen. Darum ist es auch eine gute Idee, die Augen offenzuhalten und auch Alternativen anzunehmen, wenn diese auftauchen. Manchmal tauchen sie auf und winken mit einem roten Tuch und doch ignorieren wir sie, weil sie nicht unserem Wunsch entsprechen. Aber das ist auch ok, denn es ist menschlich.
Es ist unsere Achillesferse als Mensch, nicht warten zu können, obwohl es nötig wäre. Unzufrieden zu sein und einfach alles sofort haben zu wollen. Doch so, wie die Natur Zeit braucht um zu wachsen und zu gedeihen ist es auch für unser Leben nötig.
So ist nun die einzige Frage, die sich ergibt:
Wie ist ein gutes Fundament um schlussendlich das Ziel zu erreichen? Was denkst du?
Je älter man wird, rast die Zeit. Ich dachte damals, es wäre nur ein Spruch. Aber es ist so. Als Kind hat man das Gefühl die Zeit geht nie. Als Erwachsender hat man das Gefühl sie rennt und wenn man in Stress ist noch viel schneller. In dieser Zeit mussten wir lernen langsamer zu werden. Ich denke, das ist das Fundament was wir brauchen. Nicht alles in Schneedurchlauf sondern etwas langsamer zu gehen, um Sachen zu schreiben, die gut werden sollen. Unter Stress wird es nicht so gut als ob man sich Gedanken darüber macht.
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„Gut Ding will Weile haben“, sagt ein Sprichwort. Will ich etwas ‚richtig‘ und ‚vernünftig‘ machen, muss ich mir ausreichend Zeit dafür nehmen. Ein spontanes Schnellschuss-Projekt wird, zumindest als Buch, vermutlich nicht von Qualität/Erfolg gekrönt sein. Das Fundament, wie Du, liebe Rhia, es nennst, muss unbedingt vorhanden sein. Will ich ein Zimmer neu tapezieren, sollte ich mich mit Tapete, Farben, Kleister und Quast ebenso gut auskennen, wie ich wissen muss, was ein Lot ist. Das ist das Handwerkszeug.
Das Wort ‚Geduld‘ ist stimmig, klingt aber in meinen Ohren passiv (zum Überstehen einer Krankheit oder beim Warten auf den Weihnachtsmann benötigt man Geduld, d.h. man kann NICHTS tun und ist handlungsunfähig) für den anschließenden Schreibprozess. Vielleicht ist Ausdauer, im Sinne von stetig und diszipliniert dranbleiben, eher vonnöten? (Da liegt auf jeden Fall bei mir der Angsthase im Pfeffer 🙃!) Ausdauer ist das zeitlich begrenzte Durchhaltevermögen, das uns Schreibesel kontinuierlich traben lässt und die idealisierte Zielvorstellung (das fertige Buch, das wir gedanklich vor uns sehen) ist die Möhre, die uns unser Antrieb an der Angel vor die Augen hält🥕.
Aber egal, ob Geduld, Ausdauer oder Durchhaltevermögen erforderlich ist – sie alle sind erlernbar. Genauso wie wir diese Eigenschaften durch Nichtgebrauch zunehmend verlieren, denn das eine der Wurzeln unserer bedürfnisorientierten Gesellschaft. Wir wünschen uns etwas und wollen es SOFORT haben, weil unsere Eltern es uns in guter Absicht ermöglichten. Wir können nicht mehr warten oder auf ein Ziel hinarbeiten oder es fällt uns verdammt schwer. Mit dem Wunsch nach schneller Befriedigung betrügen wir uns aber letztlich selber, denn nichts schmeckt süßer, als die Belohnung für etwas wirklich hart Erarbeitetes.
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„Das Wort ‚Geduld‘ ist stimmig, klingt aber in meinen Ohren passiv“
aujah, damit hab ich auch so oft meine liebe Not… am liebsten vorvorgestern und geht es nicht schneller? … *örks*
dein letzter Satz ist super! – denn Ja, das warten haben so viele wirklich verlernt oder gar nicht erlernt. Einst gab es die Adventkalender für die Wartezeit – heute gibt es Geschenke sofort …
und so vieles mehr ….
vielleicht ist es die Angst davor, etwas zu verpassen?
gutes Auseinanderdividieren jedenfalls
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Hallo Rhiannon, ein schöner Artikel. Da bist du aber tief eingestiegen.
Geduld ist bei mir nicht unbedingt das Problem, viel mehr die Frage, ob der Kurs stimmt, ob ich noch im Einklang mit meinen Zielen, Wünschen und Bedürfnissen handele und ob etwas für mich Sinn macht. Dann komme ich mit allen Problemen zurecht. Wichtiger als das Tempo ist mir dann, dass ich in dem Bewusstsein handele, das richtige zu tun.
Herzlicher Gruß vom Sinnfinder.
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Geduld ist definitiv sehr wichtig
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