
Kennst du den Roman „Onkel Seidlstroh und die zukünftige Vergangenheit“?
In dieser dystopischen Geschichte kommt ein Reisender, namentlich Onkel Seidelstroh, in seine Heimatstadt zurück und findet sie völlig verändert vor. Die Einwohner tragen keine Namen mehr, sondern nur noch Nummern, je niedriger die Nummer umso höher der „Rang“ der Person. Die Kinder sind Kommazahlen und Natur ist den Reichen und Oberen vorbehalten – wer nach draußen geht, tut gut daran, sich seine Sauerstoffkapseln aus dem hauseigenen Automaten zu ziehen.
Die Vergangenheit wiederum ist nur noch in Museen ausgestellt mit möglichst vielen schrecklichen Dingen und Gräueltaten, um den Menschen klar zu machen, wie gut sie es nicht derzeit haben.
Sehen wir uns in unserem Umfeld um, so finden wir häufig Dinge, die aus der Vergangenheit stammen und von denen wir nichts (mehr) wissen. Wir betrachten Gemälde und Fresken und verstehen häufig nicht den Hintergrund, sehen Stonehenge oder die Pyramiden an und raten, wenn wir durch Museen gehen und die Ausstellungsstücke betrachten, sind diese häufig liebevoll gepflegt und mitunter mühsam aus der Erde geborgen – ob die Mumien glücklich sind aus ihren Gräbern gerissen zu werden? Gehen wir nach dem Jenseitsglauben der alten Ägypter, ist das so eine Sache für sich.
Geschichte wird sehr häufig nur beschönigt betrachtet und verklärt – stehen wir dann im Supermarkt vor dem Regal und nehmen beispielsweise Margarine in die Hand, so wäre es schon interessant zu wissen, wer tatsächlich weiß, worin sie ihren Ursprung hatte (eigentlich war sie Kanonenfett in Napoleons Zeiten entwickelt 😉 ), es wird so vieles verdrängt und vergessen oder in ein völlig falsches Licht getaucht … dass es wirklich schade ist, zu sehen, wie das, was einst unsere Ahnen schufen, in völlig neuem Kontext ersteht.
Manchmal denke ich mir schon, auch wenn die Geschichte um Onkel Seidelstroh ziemlich überzogen ist, so fällt gerade im deutschsprachigen Raum auf, wie viel Desinteresse an Geschichte herrscht und wie viel Irrglaube mitunter einhergeht mit seltsamem Halbwissen.
Nehmen wir als Beispiel die Tomate oder die Kartoffel – die beiden haben auf Mittelalterfesten in den Kochtöpfen doch nichts verloren, denn sie kamen erst später nach Europa. Apropos Kartoffel – sie wurde als Zierpflanze genutzt, aber die Knolle kam erst in den Hungerzeiten in Irland in die Kochtöpfe 😉
Also mich fasziniert ja so etwas schon sehr 🙂 dich auch?
(Hier ein Danke an „hmkaufmann„, eigentlich hätte ich wohl besser schreiben sollen, dass sie die Iren und anderen Völkern geholfen hat, Hungerzeiten zu mildern bzw. diese gar nicht erst aufkommen zu lassen, da Kartoffeln doch recht anspruchslos sind und somit leichter in Fülle gedeihen und somit auch mehr Menschen sättigen können.)
Nun wäre hier eine weitere Idee, wie du deine Kreativität pushen könntest:
Geh einfach mal durch die Straßen und sieh dir die Orte genauer an. Gibt es etwas, das dir auffällt und deine Blick gefangenhält, dann betrachte den Platz oder das Objekt genauer …. was könnte es gewesen sein und was könnte hier geschehen sein?
Als kleines Beispiel die Agnes-Kapelle oben. Sie steht so einsam und verlassen im Wald und überblickt den ganzen Ort darunter … eigentlich hatte der Witwer seiner Frau damit ein Andenken geschenkt. Da sie damals im Umfeld sehr beliebt war, halfen die Leute dabei mit und auch, wenn wir sie nicht mehr kennen, so können wir doch eine Geschichte darum spinnen.
Oder wenn wir irgendwo im Wald über eine Mauer stolpern – was war einst hier?
Sehen wir uns wiederum die Dachböden alter Häuser an, so finden wir mitunter wahre Schätze ohne Wert darin, deren eigentlicher Wert in der Erinnerung ruht.
Wer die Geschichte vergisst, ist gezwungen sie zu wiederholen – und das passiert leider viel zu häufig. Manchmal mag es nötig sein, dann wieder nicht. Betrachten wir beispielsweise die aktuelle Situation, könnten wir sie nutzen um ein großartiges, neues Morgen zu erschaffen – doch die Richtung ist eine andere – in Richtung Chaos leider.
Sind wir uns unserer Wurzeln bewusst, lernen wir vielleicht auch aus dem Geschehen…
Was meinst du?
Wenn du ein Zeitreisender wärest, wohin würde es dich verschlagen? Wärest du eher für den Weg ins Morgen oder möchtest du in das Gestern gehen? Und nein, du hast hier keine Tardis, die dich mitnimmt, aber du hast deine Phantasie 🙂
lass mich doch an deinen Gedanken teilhaben …
Ich weiß, liebe Rhia, niemand mag Klugscheißer, aber nur weil du selbst soviel Wert auf korrektes Geschichtswissen legst, muss ich dir in einem Detail widersprechen:
Wie und wann die Kartoffel nach Irland kam, ist nicht belegt, aber schon im 18. Jahrhundert wurde sie landwirtschaftlich angebaut. Irland durfte sie neben dem Getreide, das sie an ihre englischen Pachtherren abzugeben gezwungen waren, für den eigenen Bedarf anpflanzen. Wenig Land reichte aus, um die Hälfte der Bevölkerung damit billig zu ernähren. Aber leider führte sie diese Monokultur auch in eine fatale Abhängigkeit. Als infolge von landesweiten Missernten durch eine Kartoffelfäule diese einzige Nahrungsquelle wegbrach, kam es zwischen 1845 bis 1849 zu der ‚An Ghorta Mór’ oder ‚Great Famine‘, der entsetzlichen Hungersnot, die mindestens eine Million Tote forderte und etwa eineinhalb Millionen Iren in die Emigration zwang. Und England schaute weg. Aber auch schon in Zeiten davor, gab es regional begrenztere Ernteausfälle durch die Fäule.
Auf jeden Fall wären die Iren glücklich gewesen, hätten sie in der, wie du schreibst, „Hungerzeit Kartoffeln im Topf“ gehabt.
Zeitreisen in die Vergangenheit wären sicherlich manchmal reizvoll, um Feinheiten auf den Grund zu gehen. Ein Blick in die Zukunft könnte zuweilen ebenfalls hilfreich sein, uns aber hoffnungslos überfordern. In beiden Fällen verfügten wir lediglich über unser Jetzt-Wissen. Unsere Vergangenheit war schon die Zukunft anderer 😉. Literarisch finde ich das Thema Zeitreise derzeit ausgereizt. Ein guter historischer Roman oder solide Science Fiction ziehe ich vor.
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Klugscheißern ist nicht gleich Klugscheißern … 😉
Feedback dieser Art bedeutet ja auch, dass der Artikel gelesen wird … reflektiert wird und so … darum sag ich auch immer wieder, wenn dir was auffällt, sag es mir bitte 🙂
In den 1580ern kam die Kartoffel nach Irland … und hat vielfach über den Hunger hinweggeholfen, bis die Sache mit dem Pilz war und die große Missernte brachte. Das habe ich wohl ungünstig formuliert – wird aber in den Beitrag mit einfließen 🙂
Darum danke ich dir für deinen Hinweis … wieder was gelernt – auch im Sinne des Schreibens …
Hast du mal den Film „Gangs of New York“ gesehen? Nicht so schlecht umgesetzt, die Sache mit der Auswanderungswelle.
Bei mir brauchst dir kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn dir was Entsprechendes auffällt 🙂
Das Dilemma mit den Monokulturen – das stimmt leider wirklich. :-(, denn ist eines im Eimer, dann geht gleich der ganze Rest den Bach mit runter …
„Unsere Vergangenheit war schon die Zukunft anderer“
hej, DER Satz ist ja mal genial … und so wahr … gefällt mir 🙂
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Dann bin ich einem MisTverständnis ;o) aufgesessen und trinke mit dir einen irischen Poitin (aus Kartoffeln, versteht sich) der Entschuldigung!
Den erwähnten Film habe ich nie zu Ende gesehen, weil er mir zu brutal war – ich bin eine Mimi, habe aber vor gar nicht allzu langer Zeit einen recht geräumigen Bücherschrank voller irischer Literatur besessen (und den Inhalt gelesen), da ich ein großer Fan der ‚Grünen Insel‘ bin und alles dafür gäbe, schenkte mir ein irisches Elflein drei erfüllte Wünsche – einer wäre eine Reise dorthin.☘️
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guck dir mal den Beitrag an 😉
alles halb so wild – Feedback ist was Feines 🙂
und jau – den nehm ich gerne – „zuprost“
hmmm … wenn es dein Wunsch ist, dann nutz die Zeit, wenn es wieder geht und besuch das Land… ich wünsch dir jetzt schon mal vorsorglich eine gute Reise und komm mit vielen tollen Eindrücken zurück
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liebe rhia, danke für deinen interessanten und inspirierenden text mit wichtigen gedanken.
einen schönen sonntag dir. liebe grüße aus berlin. m.
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Dankeschön 🙂
würd mich freuen, wenn es dir in der Kreativität hilft 🙂
auch dir ganz liebe Grüße
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