Du bist der Puppenspieler – oder ist es der Charakter, der dich regiert?

Anfänglich erscheint einem die Geschichte im Kopf, Location, Zeit, Epoche, Genre und vieles mehr hat der Schreiberling festgelegt. Er erwartet, dass die Geschichte sich entwickelt, wie es ihm vorschwebt.

Gelingt das immer?

Vor einiger Zeit las ich von der Schwierigkeit einer Autorin, ihren Krimihelden, einen Detektiv, zu leiten. Sie hatte vorgesehen, wie er zu agieren und zu reagieren hatte und doch gelang es ihr nicht, den Helden im gewünschten Vorgang zu beschreiben.
Leicht gefrustet legte sie eine Schreibpause ein und schrieb ein paar Tage später weiter. Dieses Mal achtete sie beim Schreiben darauf, was eher zum Charakter passen würde – und tatsächlich gelang ihr dieses Mal ein gelungener Text. Die ganze Zeit hatte der Charakter einfach nur »seinen Schädel« durchzusetzen versucht. Er war schließlich kein dummer Schläger, der sich mit Wut im Bauch auf die Jagd machte, sondern ein Detektiv mit feinem, messerscharfen Verstand, den er auch zu nutzen wünschte. Sie hatte vergessen seinen Charakter mit einzuberechnen, der eher den Worten als der Klinge den Vorzug schenkte.

Wer hat hier die Fäden in der Hand? Die Autorin oder der Charakter?
Und vor allem, wie ist es bei dir? Bist du der Puppenspieler, der alles vorgibt und dem die Figuren blindlings gehorchen oder sind es die Charaktere, über die du schreibst, die dir die Worte eingeben?

Mein Charakter lebt – deiner auch?

Wo es »reicht« bei einem Sachbuch Fakten aufzubereiten und klar und einfach lesbar zu schreiben, verlangen Romane mehr.

Ich merke es, während ich über meine neuen »Haupthelden« Noah und Carry schreibe. Welch ein Glück, dass ich zumindest Carry praktisch ihr ganzes Leben lang kenne.

In einem dicken »Lern-richtig-schreiben-Wälzer« empfahl der Autor, seine fiktive Figur zu interviewen und zu tun, als säßen sie sich gegenüber.
Bei einem Vogel klappt das bedingt, nur wie sieht es mit anderen Charakteren aus?

Nehmen wir einmal einen einfachen, menschlichen Charakter, ist dieser weitaus komplexer.

Fragen wären beispielsweise:

*) Identität:
Bist du jemand, der ….

*) Erwartungshaltung:
Was befürchtest oder erwartest du, dass …

*) unbewusste Überzeugungen:
Was musst du immer, wenn ….

Welche Persönlichkeit hat der Charakter und was mag die Figur?

In vielen Blogs hier lese ich, dass Schreiberlinge sich schwertun ab, sobald ein gewisser Punkt überschritten ist. Hier hat der Autor den Vorschlag gemacht, »rede« mit der Figur. Warum will er/sie nicht, wie du möchtest und laß dir sagen, was der Charakter selber vorzieht zu tun.

Viele Schreiberlinge spüren zwar beim Verfassen, was sie mit ihrem Charakter machen möchten und können, aber was, wenn du das nicht kannst?

Probier einmal diesen Charakter zu »interviewen«.
Manchmal, glaube ich, ist er einfach jemand, der sich eingesperrt fühlen könnte und daraufhin jegliche Kooperation verweigert.

Was machst du, wenn deine Figur einmal nicht mag?