Licht und Schatten – das eine geht nicht ohne das Andere
Wie stark funkelt dein Licht?
Vor einiger Zeit fragte mich eine Kollegin, wie ich es nur schaffe, alles unter einen Hut zu bringen und Energie für die ganzen Dinge aufzutreiben. Es war genau die Zeit, wo alle ins Homeoffice geschickt worden waren – und wo es KEIN Pendeln gab für jene, die im Homeoffice arbeiteten.
Pendeln frisst viel Zeit und auch extrem viel Energie.
Die letzten Wochen waren aber auch für mich deutlich anstrengender, da ich einen Burnout-Fall im nächsten Umfeld habe. Hier Kraft und Energie zu geben ist anstrengend, aber es lohnt sich.
Dass dadurch andere Dinge auf der Strecke bleiben, ist aber auch logisch und ich würde lügen, wenn ich sagte, das Bloggen und Schreiben wäre mir nicht abgegangen. Jetzt ist jedoch Urlaub und damit auch Kraft tanken und erholen angesagt.
Oder im Klartext – meine Energie – meine Lebensflamme war inzwischen auch geschrumpft und bekommt jetzt endlich wieder neue Nahrung.
Wie steht es um deine Flamme? Brennt sie hell und kräftig oder ist sie auch am unteren Limit angekommen?
Legen wir dies auf eine Figur um, so können wir vieles daraus machen. Wie oft lesen wir von Figuren, die glauben, am Ende ihrer Kraft angekommen zu sein und doch sind sie erst am Anfang ihrer Reise?
Manchmal sind es (Energie)vampire, die ihnen Kraft entziehen, dann wiederum anstrengende Lebensphasen oder es sind ganz andere Aspekte, die Energie nehmen.
Machen wir uns nichts vor, wir nehmen und geben Energie, so funktioniert der Kreislauf des Lebens. ABER wir sind nicht gezwungen, uns aussaugen zu lassen 🙂
Meine Muse sagte einst: „Aus schlechtem Stahl kannst du kein gutes Schwert machen und nur unter Druck wird Kohle zu einem Diamanten!“ Er hatte damit absolut Recht. Wir können viel mehr „ertragen“, als wir anfangs glauben. Und genauso ergeht es auch den Figuren, von denen wir lesen oder über die wir schreiben.
Druck kann formen und stärker machen („bist du zu schwach den Schild zu tragen, dann werde stärker!). Schlechter Stahl zerbricht im heißen Feuer, guter Stahl hingegen wird zu einer wunderschönen Klinge. Genau hier kannst du eine Figur ansetzen und sie wachsen lassen.
Nehmen wir einen jungen Burschen aus früheren Tagen. Er mag vielleicht ein ärmlicher Bauernsohn sein, wie er in so vielen Märchen x-mal vorkommt und wird dann in den Krieg geschickt. Was er dort sieht, erschreckt ihn fürchterlich, die Grausamkeiten, Brutalitäten und so unendlich vieles mehr. Aber es härtet ihn auch ab und lässt ihn überleben – die Frage ist nur, wird das Schwert in seinem Inneren zu einer guten oder zu einer brutalen Klinge werden?
Ein anderes Beispiel ist die Geschichte einer jungen Frau, die schlagartig alleine auf der Welt ist. Sie hat alles verloren und muss sich als Dienstmagd verdingen, um irgendwie über die Runden zu kommen – dabei war sie die Tochter eines überaus Wohlhabenden, der alles verloren hatte. Auch ihr Stahl im Inneren gerät unter Druck und ihr inneres Schwert erstarkt. Was wird aus ihr werden? Ein gutes Schwert oder doch etwas anderes?
Es spielt schlichtweg keine Rolle, wo die Figur angesiedelt wird und wo er/sie/es lebt, wichtig ist, dass er/sie/es eine schwere Zeit erleben wird, um aus dem inneren Kohlestück einen wundervollen Diamanten, aber auch ein großartiges Schwert zu formen. Die Frage, die sich stellt, ist eher, wo ist die Grenze des Erträglichen?
Als Schreiberling ist es auch unsere „Aufgabe“, der Figur Aufgaben zu stellen, an der er/sie/es wachsen kann.
Kennst du, ohne zu googeln, den Begriff „Baggereltern“?
Damit sind Eltern gemeint, die dem Kind einfach alles aus dem Weg räumen. Für das Kind mag es anfangs sicherlich eine schöne Sache sein, aber was, wenn es dann erwachsen ist, wo kein Elternteil da ist, um dem Kind alles abzunehmen? Wann hätte es denn beispielsweise Konfliktfähigkeit erlernen können?
Genau das wollen wir den Figuren im Regelfall aber NICHT antun. Wir wollen ihm/ihr/es beim Wachsen begleiten und dazu gehört mitunter eben auch Druck.
Doch was, wenn der Druck dann eines schönen Tages doch zu groß ist und die innere Flamme zu flackern beginnt und vielleicht auf ein glimmendes Fünkchen runterreduziert wird? Diese Situation birgt viele Möglichkeiten.
*) vom Wahnsinn umnachtet – die Figur könnte Fähigkeiten darin finden, die er/sie/es zwar schon immer hatte, aber die er/sie/es niemals fand
*) Selbstmord – das Dumme ist nur, dass es so viele Geschichten und Legenden gibt, die besagen, dass Selbstmörder nach dem Tode auf Erden wandeln – wie also sollte sich so ein Geistwesen verständig machen?
*) Rückzug ins Religiöse – Wahn hat viele Gesichter, vielleicht sieht er/sie/es Heilige oder will selbst ein entsprechendes Leben führen?
*) gespaltene Persönlichkeit – huch, in meinem Kopf sind noch andere Ich? Wie wäre ein Treffen verschiedener Persönlichkeiten in einer Figur?
Es gibt noch so viele andere Möglichkeiten, doch im Grunde ist nur die Frage, ob die Figur durch den Druck wächst und stärker wird, oder schlussendlich doch am Druck zerbricht. Wo ist die Grenze und wo wird diese überschritten?
Wenn wir durch die Zeiten gehen und einen Trommlerjungen der napoleonischen Ära mit einem durchschnittlichen 12jährigen von Heute vergleichen, so ist nicht schwer zu erraten, wer im Inneren wohl stärker sein mag und genau das lässt sich mit vielen anderen Aspekten vergleichen. Viele sind heute in einer „Blase“ von Frieden aufgewachsen und genau hier können wir für eine Geschichte ansetzen.
Dies kann sein, indem wir die Leben der beiden verbinden oder den einen in die Zeit des anderen holen. Vielleicht ist der heutige Junge eine Leseratte und findet eine Geschichte über den Trommlerjungen, wo sich binnen weniger Seiten eine Art Verbindung aufbaut?
Lässt du die Flamme aufflammen oder erstickst du sie?
Wenn wir an einer Story schreiben und den Druck schildern, ist die Frage nach dem kalten Wasserbottich nicht weit und auch die Frage, nach der Belohnung, die schlussendlich auf die Figur wartet.
Kennst du die Gulla-Romane?
Eigentlich geht es in diesen Geschichten um ein Kind, das auf einem Bauernhof schwere Arbeit verrichten soll. Der Bauer nahm sie auf, weil sie als Kind zwar zur Schule zu gehen hat, aber weitaus weniger als eine erwachsene Magd kostete. Das Leben für Gulla war richtig hart (damals gab es noch keine Zentralheizung oder Ähnliches), doch die Belohnung auch eine großartige. Der Druck als Dienstmagd zu arbeiten, hatte ihr vieles beigebracht, das sie in späteren Tagen gut brauchen konnte.
Genauso ist die Frage, was wir unter Druck tatsächlich erlernen.
Welcher Art Druck würdest du eine Figur aussetzen und warum gerade diese?
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