Kannst du loslassen?

Nichts zeigt uns so sehr, woran wir hängen, wie die Trauer darüber, es verloren zu haben.
Peter Amendt, Franziskaner

Man kann nicht immer gewinnen, aber man kann immer bestimmen, wie man verliert.
Lisz Hirn

Was du erhältst, nimm ohne Stolz an, was du verlierst, gib ohne Trauer auf.
Marc Aurel


Was ist schwieriger zu meistern?
Etwas nie gehabt zu haben und sich nur danach zu sehnen oder etwas gehabt oder erlebt zu haben und es zu verlieren?
Und was schmerzt am meisten, wenn es aus dem eigenen Leben entschwindet?
Ist es etwas, an dem du hängst? So kann es materiell nichts wert sein und für dich bedeutet es doch einfach alles ….


Wenn aus Hauskatzen Freiläufer werden, so sind für den zugehörigen Menschen oft Veränderungen anstehend, mit denen er/sie nicht rechnet.
Meine Katzen sind auch als Hauskatzen sowohl geimpft als auch mit Chip versehen und registriert, sowie kastriert. Andere handhaben dies sicher anders – es ist wohl eine persönliche (mitunter auch gesetzliche) Entscheidung, wie wir unseren Katzen (und anderen tierischen Wegbegleitern) ein möglichst gutes und schönes Leben schenken wollen. Als Freiläufer haben sie auch Zeckenschutzmittel bekommen … die kleinen Biester können echt fies sein …
Carry beispielsweise ist eine großartige Mäusejägerin und es gab Tage, da brachte sie vier am Stück heim. Wenn es der Maus noch gut geht und die Katze nicht hinsieht, kann sie gern auf dem Feld ausgelassen werden und huscht rasch ins Unterholz – aber was, wenn das Rückgrat gebrochen ist und die Maus die untere Hälfte nur noch mitschleift? Welche Chance hat sie, noch zu leben? Loki machte bei einer davon dann kurzen Prozess und hat die untere Hälfte kurzerhand durchgebissen und gefressen …

Der nächste Punkt besteht darin, was, wenn die Katze nicht mehr heimkommt? Für viele ist das eine absolute Horrorvorstellung, ein geliebtes Wesen zu verlieren, nicht mehr zu wissen, wo diese Seele ist und wie es dieser Seele geht. Lebt das Wesen noch? Geht es ihm/ihr gut?

Fakt ist, ich bekomme von Carry keine Mäuse mehr, da sie seit inzwischen 11 Tagen nicht mehr heimgekommen ist, bei Loki ist es das Gleiche. Sie kamen immer nach spätestens 2 Tagen heim und dann waren sie gleichzeitig verschwunden.
Wie es mir und meinem Mann damit geht, das kannst du dir vermutlich vorstellen, da unsere Katzen für uns Familie sind. Amy, die Schwester von Loki aus dem gleichen Wurf, ist ihn immer wieder suchen gegangen, war selbst drei Tage unterwegs, was natürlich die schlimmsten Befürchtungen auslöste, bis sie dann auf der Terrassentür einfach so dastand und wieder zurückwollte. Welch ein Segen.

Natürlich dreht sich dann im Kopf der Gedanke, wo sind sie nur hin? Was ist mit ihnen passiert? Geht es ihnen gut? Hat sie vielleicht nur jemand mitgenommen, der es gut mit ihnen meinte (da sie beide sehr zutraulich sind) oder sind sie schlichtweg bei einem Auto unter die Räder gekommen oder waren sie für einen schießwütige/n „Welche/n“ einfach nur leichte Beute?
Vielleicht werde ich das nie erfahren.
Natürlich waren wir bei Tierärzten, Tierheimen, haben Flyer aufgehängt und auch bei Nachbarn nachgefragt – der einzige positive Effekt ist, dass wir jetzt ein paar neue Personen kennengelernt haben, die wir vorher nicht kannten.
Da der Chip ausgelesen wird und unsere Daten aktuell sind, können wir davon ausgehen, dass sie bei Tierärzten und Co bisher nicht untergebracht waren. ABER es ist zumindest eine Chance sie vielleicht als Totfund zurückzubekommen und abschließen zu können.

Schmerz, wenn etwas oder jemand verloren geht, das einem viel bedeutet, ist bitter – ABER er zeigt auch die wahren Prioritäten an.
Geld und materielle Güter sind selten mit viel innerem Wert versehen, sind ersetzbar, vor allem, wenn sie günstig produziert werden, um nach einer gewissen Zeit ausgetauscht zu werden.
Ganz anders sieht es aus, wenn es mit einer persönlichen Bindung verbunden ist. Nehmen wir beispielsweise einen Ehering, der nach dem Tod des Partners noch getragen wird. Der Ring erinnert an die verlorengegangene Seele. Gleichermaßen können Fotos Erinnerungen darstellen an besondere Begebenheiten. So gesehen können auch materielle Dinge einen sehr hohen Wert für eine bestimmte Person darstellen.

Bindungen, ob an eine Person, ein Tier oder an einen Gegenstand sind oftmals mit Emotionen und Schmerz aber auch mit Freude verbunden. Menschen sind keine gefühllosen Maschinen, sondern empfindungsfähige Wesen, auch wenn manche das mitunter sehr gut verbergen.

Die Frage ist nun eher, welche Bindungen wollen wir, willst du, will ich selber, wirklich eingehen?

Wenn wir dem allgemeinen Trend folgen …. ist beispielsweise ein Job, der „nur“ das große Geld bringt für viele gar nicht mehr interessant, die Bindung an den Arbeitgeber und das Unternehmen ist für immer weniger interessant, viele suchen nach einer Aufgabe, die sie mit Sinn erfüllt.
Nun stellt sich doch die Frage, warum?
Denken wir als Menschen inzwischen anders oder mehr nach oder ist es einfach eine allgemeine Erkenntnis?
Andererseits – spielt das wirklich eine Rolle? Insbesondere dann, wenn irgend ein Job her muss, um das Leben zumindest irgendwie zu finanzieren?

Vielleicht gehen wir auch einfach durch unsere Erziehung viel zu leichtgläubig an alles heran, nur weil wir es so gelernt haben?

Betrachten wir doch einfach einmal die Geschichte.
Es gab Zeiten, in denen Menschen nur sehr kurz lebten (beispielsweise Fabriksarbeiter um 1900, das Durchschnittsalter lag bei ungefähr Mitte 20), während Wikinger oftmals über 60 wurden, die Templer beispielsweise erreichten hohe Lebensjahre (65 und aufwärts), wohingegen es beispielsweise im 30jährigen Krieg die Menschen oft keine 40 wurden.
Intensive Gefühle gab es schon immer, nur war die Fragestellung, wie die Menschen damit umgingen. Vielfach lebten sie, aufgrund von mitunter kurzen Lebensspannen, auch nur einfach intensiver.

Was also ist das wirkliche Wollen, die tatsächliche Sehnsucht in einem Menschen? Ich kann es dir nicht beantworten, ich kann nicht in die Herzen der Seelen hineinblicken – (auch wenn ich manchmal gern die Fähigkeit hätte wie Lucifer Morningstar einfach nur zu fragen: Was willst du wirklich?).
Doch eines ist zu beobachten – und da sind sich ALLE gleich. Wenn jemand oder etwas einer Seele sehr wichtig ist, dann zeigt sich Schmerz, wenn dieses entschwunden ist. Vielleicht erkennen wir genau daran, was uns tatsächlich etwas bedeutet.
Wie wichtig kann einem ein Mensch sein, wo es leicht fällt, wenn diese Person nicht mehr auftaucht? Wie wichtig ist es, wenn man hinterher an nichts anderes mehr denken kann?

Doch Vorsicht Falle:
Es gibt – wie so gut wie immer – einen Pferdefuß bei der Sachlage.
WARUM ist der Verlust von so hoher Bedeutung?
Liegt es daran, weil einem dieses Wesen einfach wichtig war um des Wesens selbst willen? Oder geht es vielmehr darum, weil der persönliche Egoismus etwas oder jemand nur einfach nicht gehen lassen will?

Warum wollen wir als Menschen heute beispielsweise unsere Kinder oder Partner immer überwachen, wo sie sind? Viele versetzen das Smartphone des anderen mit Spionagesoftware, es gibt immer mehr Eltern, die Chips in die Kleidung der Kinder einnähen … muss ich mehr dazu sagen?
Meine Katzen sind gechippt, weil ich ihnen die Freiheit ermöglichen will, Katze in der Natur zu sein – und wenn sie wieder gefunden werden, dass ich Nachricht erhalte, aber nicht, um zu überwachen wo sie jetzt unterwegs sind. Denn für mich habe ich eines begriffen:
Mir ist lieber, eine Katze hat ein glückliches Leben in der Natur, kann katzische Dinge tun und weiß, sie ist IMMER bei ihrem Rudel willkommen, auch, wenn das bedeuten mag, dass sie kürzer lebt, als wenn sie ständig nur eingesperrt ist und irgendwann depressiv wird, weil die Nachbarskatzen durch den Garten laufen.
Unsere Maze beispielsweise mag gar nicht viel raus, Carry hättest gar nicht mehr reinbekommen mit der Zeit, aber sie kam immer wieder heim, bis jetzt eben.

Hätte ich Kinder, würde ich eher nach meiner eigenen Kindheit gehen, wo ich noch alleine Wald herumstromern konnte und mir ist das Handy von meinem Mann grundpiepegal.
Ich denke, es hat sehr viel mit Vertrauen in die andere Seele zu tun – und dass wir damals (ich bin Jahrgang 1977), einfach die technischen Möglichkeiten gar nicht hatten.
Schaffen wir es als Gesellschaft nicht mehr einfach nur noch zu „vertrauen“? Sind wir so abhängig, dass wir ständig kontrollieren müssen, damit der/die andere nicht aus dem persönlichen Umfeld entschwindet?


Etwas oder jemanden verlieren bedeutet Schmerz, wenn einem der Verlust sehr wichtig war – ABER … es ist die Frage, warum tut es weh?
Schmerzt es, weil es der persönliche Egoismus ist oder weil das Vertrauen einfach nicht mehr gegeben ist und nur noch die Überwachung zählt? Oder ist der Schmerz aus einem anderen Grund heraus?

Seit die beiden Katzen verschwunden sind, denke ich viel darüber nach, um zu verarbeiten. Ich kann nur darauf vertrauen, dass es ihnen noch gut geht oder ein möglicher Tod schnell und schmerzlos war. Es wird nichts daran ändern, dass die anderen Katzen draußen sein dürfen – wenn sie das wollen, denn mir ist ihr Glück wichtiger, als die permanente Kontrolle.

Wie ist es bei dir?

Inspirationen für Figuren

Wie viele Geschichten handeln davon, etwas zu suchen?
Die Suche nach der Liebe, nach Erfolg oder nach etwas anderem und fündig wird die suchende Figur im Regelfall nicht bei dem, was er/sie/es sucht, sondern meistens wird etwas anderes angeboten.

Nimm ein Haustier, das – aus welchem Grund auch immer – nicht mehr zu Hause ist. Freigänger, wenn du möchtest. Es ist unterwegs, alleine und hat sich verlaufen. Auf dem Weg findet es neue Freunde, aber es nicht die Liebe zu dem Menschen, bei dem es einst gelebt hatte. Dieser Mensch ist nicht mehr da.
Wonach die Seele des Tieres verlangt ist einfach diese Liebe zurückzubekommen, das Herz, die Heimat, …
Was findet diese Seele stattdessen? Oder kehrt es zurück zu ihrem/seinem Menschen?


Emotionstipp:

Fühlst du Schmerz aufgrund eines Verlustes, so probier einmal dieses aus:

Nimm ein Foto des Verlorenen oder schreib auf einen Zettel den Namen. Grabe in deinem Garten oder einem kleinen Stück Grün eine kleine Grube und leg es dort hinein, setze einen Baumsetzling oder einen kleinen Rosenstrauch darüber und gib Erde drauf.
So hast du immer etwas, das dich an die schönen Aspekte und Zeiten erinnern hilft.

Oder du nimmst das Foto oder den Zettel, faltest es zusammen und vertraust es einem fließenden Gewässer an. Lass das Wasser deinen Schmerz mitnehmen.

Verlorenes wirst du nicht immer zurückbekommen – ABER du kannst Wege finden, um zu verarbeiten. Es sind die Narben des Lebens und ein Zeichen, dass du lieben kannst.